Erinnerst du dich noch an die Zeiten, als Werbung provozieren durfte? Als Marken eine Haltung hatten? Als Kreativität mehr war als ein hübsches Moodboard? Diese Zeiten scheinen vorbei. Statt mutiger Ideen bekommen wir immer öfter Briefings, die sich zusammenfassen lassen mit:
- „Macht es wie XYZ.“
- „Hauptsache, es sieht gut aus.“
- „Eine Story? Braucht’s nicht, solange es performt.“
Willkommen im Zeitalter der austauschbaren Ästhetik.
Warum traut sich niemand mehr?
Marketeers scheinen heute mehr Angst zu haben, anzuecken, als Lust darauf, aufzufallen. Kreativität wird von Freigabeschleifen erdrosselt, polarisierende Konzepte werden weichgespült, bis nur noch ein generisches Produkt übrigbleibt, das niemanden stört – aber auch niemanden begeistert. Warum ist das so?
1️⃣ Die Angst vor Shitstorms
In einer Welt, in der jede Marketingmaßnahme in Sekundenbruchteilen in den sozialen Medien zerrissen werden kann, ist der sicherste Weg oft der beliebteste. Lieber ein generisches Design als eine mutige Kampagne, die möglicherweise für Kontroversen sorgt.
2️⃣ Konzernisierung der Kreativität
Viele Marken agieren heute nach Konzernlogik: Freigegeben wird, was sicher funktioniert. Mutige Konzepte überleben die Feedbackschleifen nicht. Statt sich an ihrer eigenen DNA zu orientieren, nehmen viele Brands lieber erfolgreiche Vorbilder – und kopieren.
3️⃣ Die Kurzlebigkeit der Inhalte
Früher wollte man Kampagnen schaffen, die im Kopf bleiben. Heute wird Content produziert, der nach 24 Stunden wieder verschwindet. Warum sich also noch die Mühe machen, eine starke Idee zu entwickeln, wenn ein generischer Look mit „thumb-stopping“-Potenzial reicht?
4️⃣ Gut gemacht schlägt gut gedacht
Die Mechanik der Social-Media-Algorithmen belohnt nicht mehr zwingend handwerklich perfekte Kampagnen, sondern das, was authentisch und ungefiltert wirkt – oder zumindest so aussieht. High-End-Production? Manchmal zu glatt. Stattdessen dominieren low-effort Looks, TikTok-Trends und User-Generated-Ästhetik. Der Gedanke dahinter? Nebensache. Was zählt, ist, dass es klickt.
Kreativität braucht Mut – und Marken mit Rückgrat
Doch ist das wirklich die Welt, in der wir leben wollen? Eine, in der Marken austauschbar sind, weil sie sich alle nach den gleichen Regeln richten? Eine, in der der König der KPIs das „Gefällt mir“ ist?
Kreativität war immer dann am stärksten, wenn sie einen Standpunkt hatte. Die besten Kampagnen der Geschichte waren nicht die glattgebügelten, sondern die, die provoziert, polarisiert oder Menschen zum Nachdenken gebracht haben.
Marken, die mutig sind, gewinnen. Marken, die sich anpassen, verschwinden. Die Frage ist nur: Wer traut sich noch?